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ProjektZonen
ein altarnatives Programm zur "1. Langen Nacht der Kirchen"
am 05.09.2003


Der Mensch mag nach Sinn suchen, jedoch soll er nicht der Versuchung unterliegen, den Sinn zwanghaft finden zu müssen. Die Suche selbst ist das, was uns anregt, nicht das Finden. Und bei einigen Dingen, sei es Glaube oder Schönheit, kann die Suche eben nie zum Ziel führen und vielleicht ist genau das der Sinn.

Deshalb mag der Reisende traurig oder sehnsuchtsvoll wirken - aber wird es anders sein, wenn er meint sein Ziel gefunden zu haben? Ein Traum der wahr wird, ist eben kein Traum mehr.

Und meistens ist das Reisen sowieso viel lustiger als das Ankommen.

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Die Nacht ist der Übergang vom Heute ins Morgen. Schlafein und schlafaus taucht man in die eigene Gedankenwelt ab, um durch sein Seelenlabyrinth zu spazieren.

In den Träumen ist alles möglich. Das Unterste liegt zuoberst, man begegnet sonderbaren Gestalten, alten Bekannten, spielt Croquet mit Flamingos und schwingt sich vogelgleich in die Luft. Manche Träume sind wie eine Brücke, über die man sicher zum nächsten Morgen gelangt. Sie führen zu einem Ziel, das einem bei Tage noch unerreichbar schien. Doch nicht immer wandelt es sich mit traumtänzerischer Sicherheit auf den verschlungenen Pfaden der Phantasie. Es gibt Träume, die unverständlich bleiben. Beängstigend, ab und zu. Bei starkem Seelengang ändert sich der Kurs schnell. Dann geht es weder vor noch zurück. Mitunter öffnet sich ein bodenloser Abgrund – und keine Brücke ist in Sicht.

Auf diese Weise kommentiert das Unbewusstsein unser Leben. Am Morgen hat man vielleicht einige bunte Bilder gesammelt, wie Muscheln bei einem Strandspaziergang. Zuweilen bleibt nur ein angenehm warmes Gefühl, dass sich im Laufe des Tages auflöst.

Aber nicht jedem genügen diese zerbrechlichen Gebilde. Da muss handfestes Glück her. Nur: woher nehmen, wenn nicht stehlen?

„Das wahre Glück ist anderswo“, denken sich die Leute und begeben sich auf die Suche. Sie suchen es an der Börse, in der Liebe, in der Schönheit, in Berlin, vor der Kamera. Dann kaufen sie sich eine Parmesanaromadose mit rostfreier Edelstahlreibe und schließlich fahren sie an einen Strand, an dem die Sonne ewig scheint.

Da ruft etwas. Es ist ein sehr kleines Glück. Eines, das sich nur ganz leicht unter der Haut regt und nicht gleich den ganzen Magen für sich beansprucht. Und jetzt, wo es so dasitzt mit angezogenen Knien, sieht es noch winziger und unscheinbarer aus. „Hallo“, ruft das kleine Glück, aber die Leute können es nicht hören. Sie sind gerade damit beschäftigt, einen Liegestuhl zu ergattern. „Hallo“, piepst das kleine Glück in das Liegestuhlgeklapper und leuchtet dabei ein wenig. Aber das hätte es sich eigentlich auch sparen können. Die Leute am Strand tragen Sonnenbrillen. „Hallo?“, flüstert das kleine Glück. Und dann geht es aus, wie ein Glühwürmchen, das man unsanft berührt hat.


REISENDE Annika Trentzsch, Julia Kimmel, Justyna Philipps, Jens Boldt, Philipp Radau
GEDANKENREISELEITUNG Christina Degelau

DRAMATURGIE Julia Kimmel und Annika Trentzsch
TECHNISCHE REALISATION Utz Rathmann
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